Induktion/Vollständige Induktion

Induktion ist die Herleitung einer allgemeingültigen Gesetzmäßigkeit/Aussage aus einer endlichen Anzahl von Einzelbeobachtungen bzw. wahren Einzelaussagen.
Formal: A(1)w und  A(2)w und …  A(k)w =>   für alle   n ϵ IN   gilt: A(n)w
  Endliche Anzahl k, k ϵ IN , von   Allgemeingültige Aussage
  wahren (w) Einzelaussagen (A)    
 
Eine solche Aussage bleibt in den Realwissenschaften (d.h. den Naturwissenschaften wie Physik, Chemie, Biologie, Geologie...sowie den Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaften) als Gesetz gültig, bis sie durch weitere Erkenntnisse falsifiziert oder modifiziert wird.
In der Mathematik - als wesentlichem Teil der Formal- bzw. Strukturwissenschaften neben der Logik und der allgemeinen Linguistik – bleibt eine solche Aussage eine Vermutung, solange sie nicht für alle n ϵ IN bewiesen ist.
 
Der deutsche Mathematiker Ernst Eduard Kummer (29.01.1810 – 14.05.1893) erläuterte seinen Studenten die Unterschiede in den induktiven Schlussfolgerungen von Realwissenschaftlern und Mathematikern mit folgendem Vergleich:
 Zitat:       „Meine Herren, 120 ist teilbar durch 1,2,3,4, auch 5; jetzt werde ich schon aufmerksam, ob 120 nicht vielleicht durch alle Zahlen teilbar ist. Ich probiere weiter und finde, sie ist auch durch 6 teilbar; um nun ganz sicher zu gehen, versuche ich’s noch mit der 8, dann mit der 10, mit 12, mit der 15, schließlich auch mit 20 und 24;… Wenn ich jetzt Physiker bin, sage ich: Es ist sicher, dass 120 durch alle Zahlen teilbar ist.“
 
Ausdrücken wollte er damit, dass dem Physiker eben eine endliche Anzahl von Einzelbeobachtungen zur Formulierung eines Gesetzes ausreicht. Solche Gesetze sind aber grundsätzlich veränderbar durch neue Erkenntnisse. Der Mathematiker jedoch muss die Gültigkeit eines Gesetzes für jede mögliche Zahl bewiesen haben, sonst kann er die Aussage nicht als Gesetz formulieren. Ein mathematisches Gesetz ist also prinzipiell nicht falsifizierbar.
 
Induktionsbeispiele für Bildungsgesetze von Folgen:
Die Beispiele 1) – 3) sind auch Folgen-Beispiele für ‘Figurierte Zahlen‘, die mindestens 3000 Jahre alt sind, und deren erstes ausführliches Studium von den Pythagoräern (ca. 550 v. Chr./ s. auch Werke des Euklid) überliefert ist.
 
 
 
 
Vollständige Induktion ist ein mathematischer Aussagenbeweis.
 
Da IN unendlich viele Zahlen enthält, ist es nicht möglich, eine Aussage A(n) für jede einzelne Zahl n explizit als wahr (w) nachzuweisen. Nimmt man aber auf Grund der wahren Aussage für n=1 (Induktionsanfang) auch an, dass die Aussage für ein beliebiges n IN gilt (Annahme/Voraussetzung), und kann man dann zeigen, dass unter Verwendung von Induktionsanfang und Voraussetzung die Aussage auch für n+1 gilt, so gilt sie für alle n IN (Dieses ergibt sich aus dem 5. Peano-Axiom für natürliche Zahlen: ‘Jede Menge, die 1 enthält, und die mit n auch den Nachfolger n+1 enthält, enthält alle natürlichen Zahlen.‘
Giuseppe Peano, ital. Mathematiker, 27.06.1858 – 20.04.1932).
 
Formal:
 
Beispiel:
Für die Folge A(n) = 2n (s. auch oben Bildungsgesetz zu Induktionsbeispiel 4)) ergibt sich für alle
n IN als Reihe:
 
A(n):=2+4+6+…+2n = n²+n   (Aussage)
 
Induktionsanfang A(1) := 2x1 = 1²+1(wahr)  
Annahme A(n) := 2+4+6+…+2n = n²+n  
zu zeigen A(n+1) := 2+4+6+…+2n + 2(n+1) = (n+1)²+(n+1)  (Aussage für n+1)  
<=> (gemäß Annahme)     (n²+n) + 2n+2 = n²+2n+1+n+1  
<=>     n²+3n+2 = n²+3n+2
q.e.d.     (quod erat demonstrandum)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Anmerkung:
Deduktion bedeutet im Gegensatz zur Induktion die formale (logische) Herleitung einer Aussage aus einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit oder aus Axiomen.
Insofern ist das Verfahren der vollständigen Induktion keine Induktion mehr im Sinne der Induktionsdefinition. Vielmehr handelt es sich um eine echte mathematische Deduktion wegen der Rückführung auf das 5. Peano-Axiom. Die Bezeichnung ‘Vollständige Induktion‘ ist daher irreführend und müsste eigentlich ‘Vervollständigte Induktion‘ heißen.