Vor fünf Jahren zogen die ersten Aras in das Souterrain des Domgymnasiums

Die Arbeitsgemeinschaft Arahaltung beschäftigt sich mit der Resozialisierung von Großpapageien, die wegen schlechter Haltung beschlagnahmt wurden

In Gedanken versunken steht der Leiter des Domgymnasiums, Dr. Clemens-August Borgerding, auf dem Gang, den Blick in den Innenhof gerichtet. Was mag ihn dort beschäftigen? Der Taubenschlag, schon seit geraumer Zeit nicht mehr bewohnt? Die Mimik signalisiert, dass es hier um etwas anders geht: Maße und Zahlen sind da zu erkennen und Ausbauvarianten und fast scheint es, als würde sich in seinen Augen bereits spiegeln, was da einmal entstehen soll. "Der Schule sind zwei Aras angeboten worden", so seine knappe Erklärung.

Gemäß dem Washingtoner Artenschutzabkommen und dem Deutschen Tierschutzgesetz sind Behörden gezwungen, nicht artgerecht gehaltene Vögel, die unter die Schutzbestimmungen fallen, einzuziehen. In Niedersachsen ist dafür das Landesamt für Ökologie zuständig. Dr. Clemens-August Borgerding, erfuhr davon. Insbesondere würde es Schwierigkeiten geben, Großpapageien unterzubringen. Zusammen mit dem Biologielehrer Peter Esch entwickelte er die Erweiterung des praxisorientierten Biologieunterrichts in Verbindung mit einer entsprechend gestalteten Umwelterziehung. Zusammen schätzten sie ab, in welcher Weise es ein Interesse bei Schülerinnen und Schülern geben würde und welche Kosten entstehen würden, um entsprechende artgerechte Haltung zu gewährleisten.

Die fachkundige Beratung durch die Diplombiologin Frau Müller am Vogelpark Walsrode und vor allen Dingen die großzügige Unterstützung des Kleintierfutterunternehmens Masterfoods in Verden sowie die Bereitschaft von Peter Esch, die Betreuung zu übernehmen, führte schließlich dazu, dass mit tatkräftiger Unterstützung der Hausmeister und einzelner Schülerinnen und Schüler zwei große Volieren gebaut werden konnten. Die Haltung setzte voraus, dass sowohl ein ausreichender Innenraum wie auch eine Außenvoliere zur Verfügung stehen. Als Innenraum stand ein Raum im Souterrain einer Gebäudeanbindung zur Verfügung, groß genug, um den Tieren das Überwintern in geräumiger Umgebung zu ermöglichen. Er wurde als begehbarer Innenkäfig hergerichtet, von dem lediglich ein Teilbereich als Versorgungstrakt durch ein Gitter abgeteilt ist. Veränderungen waren ferner an der gesamten Elektrik notwendig, da Aras dazu neigen, mit ihren starken Schnäbeln Objekte ihrer Umgebung zu zerbeißen. Auf Grund der überdurchschnittlichen Raumhöhe war es möglich, die Kletterhölzer so hoch einzubauen, dass der Raum problemlos zu begehen (und damit zu pflegen) ist, andererseits vermittelt die Sitzhöhe den Tieren eine relativ große Sicherheit, wodurch sie eine relative Nähe auch zu unbekannten Personen tolerieren.

Im Mai 1997 wurden schließlich die beiden ersten Vögel, ein Grünflügelara und ein Gelbbrustara, der Schule übergeben. Sie stammten beide aus Privatbesitz und wurden vermutlich illegal importiert und per Gerichtsbeschluss eingezogen. Beide Vögel zeigten Folgeerscheinungen der früheren Fehlbehandlung in ihrem Verhalten, die in der Zwischenzeit auch nur zum Teil zurückgeführt werden konnten. So werden z.B. bis heute die Holzstangen in der Anlage nur in geringem Maße durch die Vögel zerstört, was bei den verwendeten weichen Hölzern eher untypisch und vermutlich auf die frühere Haltung auf Eisenstangen zurückzuführen ist. Der Grünflügelara zeigte deutliche konditionelle Mängel, die bis heute nur zum Teil kompensiert werden konnten. Das Tier legt aber nun wieder Strecken im Flug zurück, während es sich in der Anfangsphase fast nur kletternd durch den Käfig bewegte, und zeigt sich insgesamt deutlich bewegungsfreudiger. Ursache ist ein vorausgegangener Pilzbefall der Atmungsorgane, der zwar ausgeheilt ist, aber die Leistungsfähigkeit der Lunge dauerhaft vermindert. Auch das Gefieder dieses Vogels spiegelt den höheren Grad der Vorschädigung wider: Das Federkleid wird besonders im Halsbereich durch häufiges Kratzen, an anderen Körperstellen durch Herausrupfen beschädigt, ein Verhalten, das in der Fachliteratur als typische Folge falscher Haltung beschrieben ist. Als Ursache kommen Fehlernährung, Bewegungsmangel, falsche Raumluft, insbesondere aber fehlende Abwechslung in eintöniger Umgebung in Betracht. Dass die Schädigungen trotz der neuerlichen Eingewöhnung nicht weiter vorangeschritten sind, ist bereits als Erfolg der anzusehen. Im vergangenen Hebst mauserten die Tiere erstmals in vollem Umfang. Grundsätzlich setzt die Ara-Haltung aufwendige und vor allem tägliche Pflege voraus, ein Aspekt, der bei der Haltung in einer Schule in Hinblick auf die Wochenenden und Ferienzeiten besonders zu berücksichtigen ist. Notwendig ist nicht nur die tägliche Versorgung mit Frischfutter, vielmehr fordert die komplizierte Psyche dieser Vögel die tägliche Zuwendung durch die pflegenden Personen. Die paarweise Haltung mindert zwar die Anforderungen in diesem Punkte etwas, letztlich ist aber der zeitliche Aufwand - verglichen mit der Haltung von Kleinvögeln - erheblich höher.

Die Betreuung und Haltung der Vögel entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer modernen Art von Verhaltensforschung sozialgestörter Großpapageien. Zwischenzeitlich wurden der Schule vom Landesamt für Ökologie weitere zwei Aras übergeben, die in zusätzlich gebauten Volieren untergebracht werden konnten. Mit Beginn des Jahres 2002 konnten zwei weitere Volieren gebaut werden, um zwei "Amazonen" unterbringen zu können. So ist ein kleines Zentrum der Papageienhaltung entstanden, das auch in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregte. Die älteren Aras sind bereits Fernsehstars. Sie traten mehrfach auf. Die jüngeren liehen mehreren Rundfunksendungen ihre Stimmen. Hin und wieder, wenn sie alle loslegen, stören sie auch einmal den Unterricht. Ziel der Arbeit mit den Papageien ist es, den Schülerinnen und Schülern verantwortungsbewussten Umgang mit Tieren zu lehren und darzustellen, was eine möglichst artgerechte Haltung bedeutet. Zugleich werden sie durch die Vorschäden der Tiere auf Folgen unsachgemäßer Haltung aufmerksam gemacht und sie erleben, wie groß der Arbeitsaufwand ist, wenn man den Anforderungen dieser Vögel gerecht werden will. Der Umgang mit den vorhandenen Störungen erfordert Geduld und planmäßiges Vorgehen. Ohne die permanente Unterstützung durch das Verdener Wirtschaftsunternehmen Masterfoods wäre die Schule nicht in der Lage, diese aufwendige Haltung angemessen zu gewährleisten.