Herzlichen Willkommen!

Wir freuen uns, dass Sie mehr über Louise Farrenc wissen möchten und unserer Einladung gefolgt sind!

Unsere Beiträge über Louise Farrenc sind im April und Mai 2023 entstanden. Wir haben uns anlässlich der Aufführung von Farrencs erstem Klavierquintett op. 30, das in diesem Jahr  erstmals in Verden im Rahmen der Maiklänge aufgeführt wird, entschieden, uns näher mit dieser spannenden Musikerin und Komponistin zu beschäftigen.

Einen Überblick über Farrencs Leben und Wirken, aber auch einen Einblick über ihre Wiederentdeckung werden Sie erhalten. Wir werden der Frage nachgehen, wie Farrencs Musik wieder auf die Pulte der Musiker:innen kam und endlich wieder zum Klingen gebracht werden konnte. In diesem Zusammenhang haben wir uns auf den Weg nach Bremen gemacht, um Prof. Dr. Freia Hoffmann zu besuchen und uns von ihr erklären zu lassen, wie es zur kommentierten Werkausgabe kam und was das Besondere dieser Notenausgabe ist.

Stöbern Sie nun gerne durch Text- und Bildmaterial oder beginnen Sie vielleicht mit unserem Podcast, der Sie mitnimmt ins Sophie Drinker Institut nach Bremen und über die Wiederentdeckung berichten wird.

Bedanken möchten wir uns für Ihr Interesse und Ihnen die Möglichkeit geben, mit Ihrem neu gewonnenen Wissen ein Rätsel zu lösen und damit eine Eintrittskarte für die Maiklänge 2024 zu gewinnen. Mehr dazu erfahren Sie unten.

Herzliche Grüße

Anneke Müller, Jasper Gründl, Kacy Knura, Leonie Quint, Niclas Helmbold, Svea Gerkens und Vanessa Galli

Louise Farrenc - Musikerin, Ehefrau, Mutter, Komponistin, Professorin...

Die französische Pianistin, Klavierlehrerin, Komponistin und Editorin Louise Farrenc, geboren am 31. Mai 1804, lebte mit ihren Eltern Jaques-Edme Dumont, von Beruf Bildhauer und Marie Elisabeth Louise Courton sowie ihrem Bruder Auguste (1801-1884) und ihrer Schwester Constance (1808 – 1893) in einer Pariser Künstlerkolonie an der Sarbonne.

Dumonts legten großen Wert darauf, dass Louise eine umfassende Bildung erfuhr, indem sie z.B. Unterricht in den Sprachen Englisch und Italienisch bekam, und unterstützten ihre Tochter auch bei ihrer musikalischen Ausbildung. Mit 6 Jahren erhielt Louise Klavier- und Solfégeunterricht bei ihrer Patentante Anne-Elisabeth Cécile Soria, einer Schülerin Clementis. Gelegenheiten ihr Talent zu zeigen, erhielt sie zunächst bei Hauskonzerten der Künstlerkolonie, wo sie am Klavier als Begleiterin oder Solistin auftrat und bereits ihren zukünftigen Ehemann kennenlernte.

Im Alter von 15 Jahren studierte Louise, vermutlich privat, bei Anton Reicha (1770 – 1863), welcher aus Prag stammte und in seiner Jugend eine andauernde Freundschaft mit Ludwig van Beethoven pflegte. Er unterrichtete sie in Harmonielehre, Kontrapunkt, Fuge und Orchestrierung, was vor allem im Hinblick auf die damalige Zeit sehr besonders war, da es Frauen zu diesem Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt erlaubt war eben diese Fächer zu studieren, wenn nicht sogar ganz verboten.Später nahm sie noch Klavierunterricht bei Ignaz Moscheles (1794 – 1870) und Johann Nepomuk Hummel (1778 – 1865), welcher interessanterweise von W. A. Mozart seit 1786 persönlich kostenlosen Unterricht in Wien erhielt.

Mit 17 Jahren heiratete Louise den Marseiller Flötisten und Musikverleger Aristide Farrenc (1794 – 1865). Er unterstützte Louise, indem er sie u. a. auf Konzertreisen begleitete und indem er ihre Werke verlegte. Aristide komponierte aber ebenso eigene Werke für Querflöte und Klavier und trat sogar im Duo in dieser Besetzung  mit seiner Frau auf. Gemeinsam arbeitete das Ehepaar Farrenc an der Herausgabe der 23 Bände umfassenden Klaviersammlung „Le Trésor des Pianistes“ (Der Schatz der Pianisten), welche ausgewählte Werke vom 16. bis zum 19. Jahrhundert enthielt. Die 23 Bände wurden somit nicht von Louise und Aristide mit eigenen komponierten Werken gefüllt, sondern umfassten und umfassen noch heute eine Sammlung von bereits komponierter Musik. Louise vollendete diese Edition nach dem Tod ihres Mannes alleine.

1826 bekam Louise mit 22 Jahren ihre erste und einzige Tochter Victorine. Sie war wie Louise eine hochbegabte Pianistin und komponierte ebenfalls. Mit 20 Jahren erkrankte sie jedoch an Tuberkulose und starb im Jahr 1859 in einem Alter von 33 an den Folgen der Erkrankung. Die schwere Krankheit ihrer Tochter und ihr früher Tod führten dazu, dass Louise ihre Konzerttätigkeit einstellte und kaum noch komponierte.

Davor hatte sie neben Klaviermusik ab 1833 auch Kammermusik und Orchesterwerke komponiert, die bereits zu ihrer Lebzeit große Anerkennung erfahren haben. So wurden beispielsweise ihre Kammermusikwerke 1861 und 1869 mit dem Prix Chartier ausgezeichnet, welcher die Exzellenz einer Komposition im Bereich der Kammermusik hervortut und belobigt. Verliehen wurde dieser Preis von „l'Académie des beaux-arts“ (der Akademie der schönen Künste). Besonders hervorzuheben ist dabei, dass Louise neben Charles Dancla die erste Empfängerin des Prix Chartier und eine der drei einzigen Frauen war, die den Preis jemals erhalten haben. Darüber hinaus wurden ihre Klavieretüden op. 26 an den Konservatorien in Paris, Brüssel und Bologna zum Lehrwerk erhoben, was zu dieser Zeit für eine Frau nahezu undenkbar schien und doch von Louise erreicht wurde.

Bis 1857 konzertierte Louise regelmäßig, unterrichtete Klavier und tat dies seit ihrem 39. Lebensjahr sogar als volltitulierte Professorin für Klavier am Pariser Konservatorium. Zudem sorgte sie dafür, dass viele ihrer Schülerinnen ihr Studium mit dem 1. Preis abschlossen. Auch in der Presse fanden ihre Schülerinnen immer wieder Erwähnungen. Diese Stelle am Pariser Konservatorium hatte sie 30 Jahre, bis zu ihrer Pensionierung am 01. Januar 1873, inne.

Louise Farrenc verstarb am 15. September 1875 in Paris im Alter von 71 Jahren. Nach ihrem Tod waren Louise Farrenc und ihre Musik für etwa 100 Jahre fast völlig vergessen.

Kacy Knura, Jg. 24, im Mai 2023

 

 

Farrencs Kompositionen und ihre Erfolge

Louise Farrenc ist eine bemerkenswerte Komponistin, die ihre Leidenschaft für Musik in einer Zeit auslebte, in der Frauen in der Musikbranche noch immer benachteiligt wurden. Als junge Frau konzentrierte sich Farrenc zunächst auf Klavierkompositionen. Später schrieb sie auch Kammermusik und Orchesterkompositionen. Ihre Vorliebe für Bläser ist in vielen ihrer Orchesterwerke deutlich zu hören, in denen ihre interessanten Bläsersätze bemerkenswert sind. Obwohl Frauen damals nur sehr eingeschränkt ein Orchesterinstrument spielen und keinesfalls dirigieren durften, schrieb Farrenc dennoch dominante und prächtige Orchesterwerke. Damit war sie eine der einzigen Frauen, die solch dominante Werke erschufen, wodurch sie sich deutlich von anderen Komponistinnen ihrer Zeit unterscheidet.

Auch Farrencs Kammermusik ist bemerkenswert. Sie blieb größtenteils im Bereich der musique sérieuse (Kunstmusik, die weder populärer noch traditioneller Musik zugeordnet werden kann) und der deutschen Musiktradition, schaffte es jedoch immer wieder, leichte und gesangreiche Melodien in ihre Werke einzubauen. Durch immer wiederkehrende, aber teilweise abgewandelte Passagen hält sie die Spannung in ihren Werken aufrecht und schafft es dennoch, den Übergang zwischen verschiedenen Sätzen elegant und fließend zu gestalten. In vielen ihrer Werke sind Ähnlichkeiten zu Beethovens und Mendelsons Kompositionsstil wiederzuerkennen. Ihr oft eleganter und durchsichtiger Kompositionsstil zieht viele Zuhörer:innen in ihren Bann. So finden wir bei YouTube mehr als 167.000 Aufrufe ihres Trios op. 54, das voller Lob kommentiert wird: „Fantastic! This is such an amazing piece“ oder „I don't say this lightly - this composition is a masterwork!!!! WOW“

Louise Farrencs Begabung blieb auch zu ihren Lebzeiten nicht unbemerkt. Berühmte Musiker wie der Geiger Joseph Joachim führten ihre Werke erfolgreich auf und erhielten viel positive öffentliche Kritik. Louise konnte miterleben, dass ihre Sinfonien am Konservatorium in Paris aufgeführt wurden und schließlich eine ungewöhnliche Reichweite erfuhren. Bemerkenswert ist zudem, dass Farrenc für ihre Kammermusik zweimal mit dem Prix Chartier, ein zu der Zeit hoch angesehener Musikkompositionspreis, ausgezeichnet wurde.

Als erste Frau, die am Pariser Konservatorium als Professorin arbeiten durfte, setzte Louise Farrenc 1842 einen weiteren wichtigen Baustein für die Emanzipation der Frau in der Musikbranche. Obwohl Frauen damals kaum in der Musikbranche vertreten waren, blieb Farrenc 30 Jahre lang die einzige Professorin am Konservatorium und trug so zur Ausbildung von etlichen bedeutenden Pianisten:innen bei und war in ihrer beruflichen Funktion auch ein Vorbild für die jungen Frauen.

Antoine Marmontel, Kollege am Konservatorium, beschreibt Farrencs Unterrichtsstil wie folgt: „L’enseignement de Mme Farrenc était d’une correction parfaite, d’un puritanisme rigoureux. Pour rien au monde, le professeur n’aurait voulu sacrifier à l’effet; aussi les succès de ses élèves étaient-ils dus bien exclusivement à leur mérite personnel. Les pianistes formés à l’école de Mme Farrenc se distinguaient par la régularité et la netteté irréprochable de leur jeu, le mécanisme excellent, l’accentuation juste qui n’avait rien jamais d’exagéré, enfin la lettre écrite observée avec une exactitude, un soin religieux. Ce qui manquait à cette école, si correcte, si sérieuse et si pure, c’était la chaleur et la couleur. L’horreur de l’exagération l’avait poussée vers un autre écueil, la froideur“

„Der Unterricht bei Mme. Farrenc war von äußerster Disziplin und unerbittlicher Strenge geprägt. Für nichts in der Welt hätte die Lehrerin äußerliche Effekte angestrebt. Auch die Erfolge ihrer Schülerinnen waren nur deren persönlichen Verdiensten zuzuschreiben. Die Pianistinnen aus der Schule von Mme. Farrenc zeichneten sich durch tadellose Gleichmäßigkeit und Sauberkeit ihres Spiels aus, eine hervorragende Technik, richtige, niemals überzogene Betonungen und schließlich die genaue Beachtung des Notentextes, eine fast religiöse Hingebung. Was dieser so korrekten, ernsthaften und untadeligen Ausbildung fehlte, war Wärme und Farbigkeit. Aus Sorge vor Übertreibung war sie in eine andere Falle geraten: in diejenige der Kälte“, Marmontel 1878, S. 180f.

zit. aus dem Lexikonartikel des Sophie Drinker Instituts (https://www.sophie-drinker-institut.de/farrenc-louise)

Anneke Müller, Jg. 24, im Mai 2023

Farrencs Veröffentlichungen und ihre Rezeption

Frauen waren viele Jahrhunderte stark benachteiligt, auch in der Welt der Musik, da Komponistinnen und Musikerinnen oftmals deutlich weniger Wirkungsmöglichkeiten, Aufmerksamkeit und Unterstützung erhielten. Doch ihre Existenz war damit nicht ausgeschlossen und an den französischen Musikkonservatorien zu Farrencs Lebzeiten keine Ausnahme mehr. Bedeutend ist daher, die Erfolge und Ergebnisse ihres musikalischen Schaffens nicht immer nur unter dem Aspekt ihrer Sonderstellung als Frau zu betrachten. Denn die Fokussierung auf diesen Blickwinkel birgt die Gefahr, die Besonderheiten ihrer Karriere auf ihr Geschlecht zu reduzieren und dabei ihre musikalischen Erfolge sowie Qualitäten ihrer Veröffentlichungen außer Acht zu lassen.

Schon zu Lebzeiten konnte Farrenc ihre Kompositionen aufführen lassen und erhielt Anerkennung dafür. Doch ihre Werke selbst dirigieren, das durfte Farrenc nicht. Auch zeitgenössische Komponisten brachten ihr viel Hochachtung entgegen. Das belegen die positiven Konzertrezensionen in den Pariser Fachzeitschriften, die zwischen 1840 und 1850 regelmäßig über Farrenc berichteten.

Durch die Unterstützung ihres Mannes, der als Musikverleger tätig war, konnten etwa 40 ihrer nummerierten Opera zur damaligen Zeit in den Druck gegeben werden. Diese erschienen nicht nur in Frankreich, sondern fanden auch in umliegenden Ländern, darunter England und Deutschland, einen Absatzmarkt und somit auch Gehör. So konnte auch Robert Schumann auf Farrencs Veröffentlichungen aufmerksam werden und schrieb lobend in der „Neuen Zeitschrift für Musik“ (Bd. 5, Nr.16, 23.08.1836) über Farrencs „Air russe varié“ für Klavier (op. 17): „Kleine, saubere, scharfe Studien sind es, vielleicht noch unter den Augen des Lehrers vollführt, aber so sicher im Umriß, so verständig in der Ausführung, so fertig mit einem Worte, daß man sie lieb gewinnen muß, um so mehr, als über sie ein ganz leiser romantischer Duft fortschwebt."

Während es in Frankreich vorerst nur zu Aufführungen ihrer Klavier- und Kammermusikwerke und nicht zu den Uraufführungen ihrer ersten beiden Sinfonien kam, verhalf ihr letztlich, nach einem vier Jahre langen Warten, ihre dritte Sinfonie zum Erfolg in Paris. Das Komponieren dieser Musikgattung, die besonders komplexe Fähigkeiten erfordert, verdeutlicht Farrencs Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen in ihr Können und hebt gleichzeitig ihre musiktheoretischen Kenntnisse besonders hervor.

„L’apparition d’une œuvre sérieuse excite certainement toujours un intérêt puissant; mais lorsque son auteur se trouve être une femme qui, dédaignant les succès faciles prodigués à des compositions frivoles, regarde comme une sainte mission de demeurer l’apôtre de la vraie croyance du bon goût, et marche le pied ferme et la tête haute dans le sentier difficile que peu d’hommes savent parcourir aujourd’hui, nous admirons autant la sévérité d’études, l’austérité de principes que l’intelligence d’élite qui a pu la conduire jusque là.“

„Ein neues ernstes Werk erregt sicherlich immer große Aufmerksamkeit; aber wenn sich sein Autor als eine Frau erweist, die die leichten Erfolge der oberflächlichen Kompositionen verschmäht und die es als heilige Mission erachtet, als Apostel des wahren Glaubens an den guten Geschmack zu wirken und die festen Schrittes und erhobenen Hauptes den schweren Weg geht, den heutzutage nur wenige Männer zu beschreiten vermögen, dann bewundern wir umso mehr die strengen Studien, die sachlichen Grundsätze und die auserlesene Klugheit, die sie bis dorthin führen konnten.“

Thérèse Wartel in: Revue et Gazette musicale de Paris, 31.3.1850, S. 108; Rezension der Uraufführung des Nonetts op. 38; Übersetzung: Christin Heitmann, zit. nach https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000237

Nach ihrem Tod veröffentlichte die französische Musikpresse „Revue et Gazette musicale de Paris“ die Vermutung, dass Farrenc zukünftig durch die Erschaffungen ihrer Kompositionen trotz ihres Todes in der Musik weiterleben könne.

Doch erst einmal kam es anders: Kurz nach ihrem Tod gab es noch wenige Aufführungen ihrer Werke in Paris, bevor sie für etwa ein Jahrhundert von der Öffentlichkeit vergessen wurde. Das ist zum Großteil darauf zurückzuführen, dass sie familiär nicht direkt an einen männlichen bedeutenden Komponisten gebunden war und sie keine Nachkommen mehr hatte, die dafür hätten sorgen können, ihren Nachlass zu pflegen und ihre Kompositionen weiterhin bekannt zu machen.

Für Farrencs Musik resultierte daraus die Problematik, dass sie bis zur Erscheinung der kritischen Werkausgabe 1998 nur sehr schwierig zugänglich für interessierte Musiker war. Sehr lange Zeit waren lediglich die Noten eines Klaviertrios im Handel zu finden. Im Jahr 1981 bestrebte das Orchester der Bremer Universität eine Aufführung der dritten Sinfonie von Farrenc. Prof. Dr. Freia Hoffmann war selbst Mitglied dieses Orchesters und hatte die Orchesterleitung auf dieses vergessene Werk aufmerksam gemacht. Daraufhin wurde eine Filmrolle mit Fotos der Partitur aus der Pariser Nationalbibliothek ausgeliehen und alle Musiker/-innen mussten sich handschriftlich ihre eigenen Stimmen notieren, um die Musik in einem Konzert gemeinsam realisieren zu können.

Dank der Werksausgabe stellt es sich nun heute als nicht mehr so aufwendig dar, Farrencs Kompositionen aufzuführen. Das führte zu einem kleinen Wiederaufblühen ihres musikalischen Wirkens. Auch Radioeinspielungen und die Aufnahmen von CDs (2018 sind etwa 20 CDs von Farrenc im Handel erhältlich) unterstützten den posthumen Erfolg von Louise Farrenc.

Neben dieser Werkausgabe bleibt Farrenc der Nachwelt zudem auch durch eine Klavieranthologie mit dem Titel „Le Trésor des pianistes“ erhalten. Diese Sammlung, bestehend aus 23 Bänden, beinhaltet Klavierwerke vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Die Bände veröffentlichte Farrenc halbjährig gemeinsam mit ihrem Ehemann, indem sie sorgsam Stücke zusammenstellten und diesen historische, biographische und interpretatorische Angaben hinzufügten. Ergänzend dazu veranstalteten sie Konzerte, in denen betreffende Werke vorgespielt und durch einen Vortrag von Aristide Farrenc erläutert wurden. Nach dem Tod ihres Ehemannes führte Louise Farrenc das Editieren bis 1865 noch alleine fort. Dieses Editionsvorhaben führte zu Farrencs Lebzeiten zur Wiedererweckung Alter Klaviermusik.

Svea Gerkens, Jg. 24, im Mai 2023

Kritische Werkausgabe - Teil 1

Nach dem Tod Louise Farrencs blieb es lange still um sie und ihre Kompositionen. Ihre Musikstücke werden in der Pariser Nationalbibliothek bewahrt, in welcher sie sich für über 150 Jahre nahezu unbeachtet befanden. Eine erstaunlich lange Zeit, wenn man bedenkt, wie erfolgreich sie gerade als Frau zu ihrer Zeit gewesen ist.

Der Dank für die ausschlaggebende Wiederverbreitung der Kompositionen gilt Prof. Dr. Freia Hoffmann. Sie ist Musikwissenschaftlerin und Gründerin des Sophie Drinker Instituts in Bremen. In ihrer Forschung fokussiert sie sich vor allem auf Frauen in der Musik und Musikgeschichte.

Ihr erster Kontakt zu Farrencs Musik entstand bereits 1981 zu ihrer Zeit als Hochschulassistentin an der Universität Oldenburg. Zu dieser Zeit spielte sie im Bremer Universitätsorchester, als ihr Orchesterleiter Prof. Klaus Mävers, welcher bereits für seine experimentierfreudige Auswahl an Stücken bekannt war, nach Hinweis von Freia Hoffmann Filme mit den Sinfonien von Farrenc bestellte. In kleiner Runde spielten sie, die Filme mit Diaprojektor an die Wand geworfen, mit einigen Mitspielerinnen und Mitspielern aus dem Orchester Farrencs 3. Sinfonie an. Begeisterung! Alle wollten, dass das Werk aufgeführt wird. Und so wurden die vorliegenden Filme von Orchestermitgliedern gesichtet und die jeweilige Stimme per Hand notiert und anschließend für die anderen Orchestermusik kopiert. Dieses Ereignis und die Aufführung hatte durchaus Eindruck hinterlassen, sodass Freia Hoffmann 15 Jahre später die Arbeit an der Werkausgabe zu Louise Farrenc initiiert hat. Dafür mussten zunächst Fördergelder beantragt werden. Der Antrag auf dieses Vorhaben wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zunächst abgelehnt, da es sich um eine französische Komponistin handelt und hinterfragt wurde, warum nichtfranzösische Musikwissenschaftler an den Werken von Farrenc forschten und eventuell solch eine Werkausgabe ausarbeiteten. Nachdem aber die Franzosen bestätigt hatten, kein Interesse an der Forschung zu haben, konnte die Ausarbeitung der kritischen Werkausgabe an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg 1996 beginnen. Die Arbeit bestand darin, die autopraphen Partituren und Drucke zu sichten und spielbar in die Werkausgabe zu übertragen. Dabei ging es nicht nur darum, Geschriebenes von Farrenc 1:1 abzuschreiben und bereit für den Druck zu machen. Ziel war es, die vorliegenden Partituren auch kritisch zu betrachten und ggf. sinnvoll anzupassen, um dem Willen der Komponistin so nah wie möglich zu kommen, so dass die ausführenden Musiker diese Musik dann entsprechend realisieren können. Ein weiteres Ziel war es, dass Farrencs Musik Verbreitung findet, die möglichst nicht an finanziellen Hürden scheitert. Dazu verzichtete man auf die Herausgeberrechte, um vor allem kleinen Ensembles die Möglichkeit zu geben, Kompositionen von Louise Farrenc aufführen zu können.

Schlussendlich besteht die Werkausgabe aus insgesamt 14 Bänden, in denen vielen Klavierwerke, Sonaten, Kammermusikstücke, Quintette, Sextette sowie Menuette vertreten sind . Hinzu kommen auch 3 Sinfonien und 2 Ouvertüren.

Dank der die Arbeit von Freia Hoffmann und ihrem Team kam es am 11. Juni 1998 zur Uraufführung der 1. Sinfonie von Louise Farrenc in Oldenburg. Es war die erste große Aufführung dieser Farrenc-Komposition seit über 150 Jahren. Darüber hinaus wurde Farrenc auch regelmäßig im Kulturradio gespielt, worüber ihre Stücke auch größere Bekanntheit erlangen konnten. So ermöglicht die kritische Werksausgabe, dass Louise Farrencs Musik auch heute wieder gespielt werden kann und die Maiklänge 2023 in Verden bereichert.

Niclas Helmbold, Jg. 24, im Mai 2023

Kritische Werkausgabe - Teil 2 - How to make...

Die Arbeit an der kritischen Werkausgabe von Louise Farrenc beinhaltet einige Arbeitsschritte. Die erste Aufgabe war es, das vorhandene Material zu sammeln. Dazu gehören die autographen Partituren, Drucke, Notizen und Handschriften. Diese mussten anschließend gesichtet und analysiert werden. Es musste der Vergleich zwischen autographen Partituren und den zeitgenössischen Drucken gezogen werden. Immerhin kann vermutet werden, dass Louise Farrenc vor dem Druck ihrer Werke diese kontrollierte und autorisierte. Oder in diesem Fall vielleicht nicht? Dann wird debattiert, auch anhand der restlichen Quellen wie Notizen oder Handschriften sowie am Vergleich mit ggf. anderen Partituren, um am Ende die beste Fassung der Noten herausgeben zu können. Immerhin soll die kritische Notenausgabe möglichst nah an dem Willen der Komponistin liegen sowie möglichst gut lesbar und damit auch spielbar sein. Auch musste bewertet werden, ob die Handschriften wirklich von Farrenc kommen und ob sie überhaupt vollständig sind. Ein Autograph, hier aus dem 4. Satz des Klavierquintetts op. 30, sieht so aus:

(Quintett Nr.1 op. 30, 4. Satz, T. 1 – 4 Paris, Bibliothéque nationale de France (Département de la musique)

 

Eine weitere Quelle sind die zeitgenössischen Drucke, hier die Violinstimme des 4. Satzes des Klavierquintetts op. 30.

Der nächste Schritt ist dann das Ausarbeiten der kritischen Werkausgabe. Die Ansprüche von Freia Hoffmann und ihrem Team waren sehr hoch, da sie das Beste aus dem vorliegenden Quellenmaterial herausholen wollten. Dazu sollte nah an dem wahrscheinlichen Willen Farrencs liegen. Beispielsweise werden Bindebögen ergänzt, wie auch hier in der Violinstimme. Auch werden Abkürzungen normalisiert und der gängigen Fachsprache angespasst, wie hier z.B. das Allegro statt all: und mit der dazugehörigen Tempoangabe ergänzt. Zudem werden Taktangaben ergänzt und Notenverteilung, gerade im Klaviersatz, im Sinne der Lesbarkeit und Spielbarkeit angepasst, wenn es nötig ist.

Diese Änderungen werden in einem Revisionsbericht festgehalten, welcher am Ende jeden Bandes enthalten ist. Dieser beginnt mit der Darstellung der Quellenlage. In diesem Fall wird gezeigt, dass die Version in der Werkausgabe aus der autographen Partitur, der Originalausgabe Paris aus dem Jahr 1841 und dem Druck von chez Fredéric Hofmeister aus dem Jahr 1842 zusammengestellt wurde. Nachfolgend kommt eine Quellenbewertung. Anschließend wird jede Berichtigung und Abweichung vom Quellentext festgehalten. Diese Erklärungen sind dabei sehr kurz gehalten und die Begründung wird weggelassen.

In diesem Fall ist besonders interessant , dass Louise Farrenc das Stück zwar in gis-Moll geschrieben hat, über die Noten aber schrieb, dass es in a-Moll zu spielen ist. Damit es dann möglichst nah an dem Willen Farrencs liegt, und auch einfacher zu spielen ist, steht der Satz in der Werkausgabe in a-Moll transponiert.

(Quintett Nr. 1, op. 30, 4. Satz, T.1-4, kritische Ausgabe, Band II/3A, T. 1 - 4)

Im letzten Schritt wurden die Einzelstimmen aus der Partitur erstellt. Dabei ist auch wichtig zu beachten, dass diese sinnvoll formatiert sind und ein gutes Layout haben, damit sie geeignet für Aufführungen sind.

Niclas Helmbold, Jg. 24, im Mai 2023

Auslosung ges Gewinns

Auslosung des Gewinns

Quellennachweise

Noch in Arbeit...